Fredi Bobic wird Eintracht Frankfurt am Saisonende verlassen. Seine nächste Aufgabe wartet vermutlich in Berlin bei seinem Ex-Verein, der Hertha. Dieser Wechsel bietet den perfekten Anlass, um darauf zu schauen, wie Bobic´ bisherige Karriere nach der aktiven Spielerkarriere aussah.
Seinen ersten Job nach dem Karriereende erhielt Bobic bei Chernomorets 1919 Burgas in Bulgarien. Sonderlich viel über seine anderthalbjährige Arbeit dort lässt sich nicht sagen. Am spannendsten sind eh seine Jahre beim VFB Stuttgart und der Eintracht aus Frankfurt.
Von Juli 2010 bis September 2014 arbeitete Bobic bei Stuttgart. In seinen ersten drei Jahren als sportlicher Leiter, im letzten Jahr als Sport-Vorstand. Dann war nach einigen enttäuschenden Transferphasen und einer krisenbehafteten Zeit im Verein jedoch Schluss für ihn.
Vor der Saison 2016/17 ging er die nächste Aufgabe an. Der 49-Jährige unterschrieb als Sport-Vorstand in Frankfurt. Seine Zeit dort war von deutlich mehr Erfolg geprägt. Die SGE gewann den DFB-Pokal und erlebte großartige europäische Nächte. Besonders in dieser Saison zeigt die Formkurve wieder steil nach oben: Man steht nach 24 Spieltagen auf einem Champions-League-Platz.
Die große Frage ist nun aber: Wie bewertet man Fredi Bobic? Das ist grundsätzlich sehr schwer, da es im Fußball von außen nie ganz klar ist, was das exakte Aufgabenfeld von einer Person nun ist. Das beginnt schon mit dem Job-Titel. Da gibt es Kaderplaner, Sportdirektoren, Sport-Vorstände, Manager, Geschäftsführer Sport und Co.. Was die genauen Unterschiede sind? Ich kann es euch nicht sagen. Woran der Erfolg dieser Personen gemessen wird, ist dagegen klarer: Der sportliche Erfolg der Mannschaft, die Finanzen des Vereins, einige weitere Faktoren, aber vor allem Transfers.
Die Erfolgsquote von Transfers ist oftmals der entscheidende Aspekt, an dem eine Person wie Fredi Bobic bewertet wird. Dementsprechend ist es nur logisch einen Blick auf die Transfers der bisherigen Karriere Bobic´ zu werfen.
Es gibt die verschiedensten Methoden Transfers zu analysieren, ich habe mich hier für ein paar sehr simple entschieden, die zunächst aufzeigen sollen, mit welchem Stil Bobic Transfers bei Stuttgart und Frankfurt getätigt hat und wie sich dieser Stil entwickelt hat. Alle Daten stammen von transfermarkt.de, die erste Saison von Bobic bei Stuttgart habe ich nicht mit einberechnet, da er in dieser erst während der Transferphase zu seinem Job kam und sein Einfluss auf die Transfers unklar ist.
Schauen wir nun auf ein paar Zahlen: In seiner Stuttgarter Zeit hat Bobic deutlich weniger Transfer pro Saison getätigt als in seiner Frankfurter Zeit. Nur in der aktuellen Saison gab es weniger als zehn Neuzugänge bei der Eintracht, in der Spielzeit 18/19 waren es sogar ganz 17.
Auch die Art der Transfers unterscheidet sich zwischen den beiden Vereinen deutlich. In Stuttgart setzte Bobic besonders in seinen ersten drei Jahren zunehmend mehr auf Spieler, die von anderen deutschen Verein verpflichtet wurden. In Frankfurt ist dieser Fokus bei weitem nicht so hoch.
Auch Leihen spielen im Frankfurter Konstrukt eine andere Rolle. Zwar setzte Bobic in einer Saison beim VFB auf sehr viele Neuzugänge per Leihe, sonst jedoch nahezu nie. Bei der SGE bewegte sich der Anteil an Leihspielern an der Gesamtzahl an Transfers dagegen immer recht konstant bei 20–35%.
Die Altersstruktur der Neuzugänge fand sich nach einem Ausreißer in der ersten Saison bei beiden Klubs danach stets in einem sehr konstanten Rahmen. In Stuttgart waren das Transfer von 23–24-Jährigen (im Durschnitt), bei Frankfurt Transfer von 24–25-Jährigen.
Auch die gezahlten Ablösesummen per fest verpflichtetem Spieler entwickelten sich weiter. Bei Frankfurt stiegen diese zuletzt zunehmend an, aber bis auf eine Saison, in der sowohl Jovic als auch Haller verkauft wurden, gab Bobic nie mehr als knapp über zwei Millionen Euro pro Spieler aus. Viel Geld für wenige Spieler ausgeben, ist Bobic überhaupt nicht gewohnt.
Kommen wir nun aber zu dem wichtigsten Faktor: Dem Erfolg der Transfers. Nur wie bewertet man diesen? Oft wird hier mit dem Profit gerechnet, den ein Spieler eingebracht hat. Das gefällt mir jedoch nicht, da ein guter Spieler auch ablösefrei wechseln kann, altersbedingt sein Wert nach mehreren guten Jahren sinken kann oder ein Spieler trotz schwächerer Leistungen aufgrund von dem teurer werdenden Markt auf einmal mehr Wert sein kann als vorher ohne dass er spielerisch erfolgreich war. Eine weitere Möglichkeit, die mir in den Sinn kam, war die durchschnittliche Spielzeit eines Neuzugangs als Indikator für Erfolg zu nehmen. Problem dabei: Verletzungen sowie die Verpflichtung von Spielern als Kadertiefe, die bei 30% Einsatzzeit ihren Job perfekt erfüllen können, während ein aufgrund von Alternativlosigkeit stammspielender Akteur enttäuschen kann.
Um irgendwie mit Daten arbeiten zu können, habe ich letztlich eine sehr einfache Lösung gewählt: Ich wertete jeden Transfers auf einer Skala von 1 bis 10. Das bringt natürlich Subjektivität ins Spiel, aber mir fiel keine elegante Lösung ein, wissenschaftlich Faktoren wie Erwartungshaltung, Aufgaben-Erfüllung, etc. zu berechnen. Hier die Ergebnisse:
Es gibt ein recht klares Bild. Bobic zweite und dritte Saison in Stuttgart waren mit Abstand seine schwächsten. In Frankfurt ist sein Wert nach einer schwächeren ersten Saison konstant hoch. Die aktuelle Spielzeit fällt noch etwas ab, was aber auch daran liegt, dass ein paar Spieler noch schwer zu bewerten sind.
Nun lassen sich anhand all dieser Daten einige Erkenntnisse und wichtige Aussagen treffen: Bei Frankfurt macht Bobic einen besseren Job als bei Stuttgart. Die entscheidenden Unterschiede zur Stuttgarter Zeit und besonders den beiden sehr schwachen Jahren sind die Anzahl an mehr Transfers von außerhalb Deutschlands und mehr Leihen.
Tiefpunkt der Stuttgarter Transfers waren Mohammed Abdellaoue und Karim Haggui, die 2013 im Doppelpack für 4,5 Millionen Euro von Hannover 96 kamen, zusammen auf lediglich 24 Einsätze kamen und zwei Jahre später ablösefrei den Verein verließen.
Lichtblicke gab es jedoch auch. Stuttgart fand Gotuku Sakai in Japan, William Kvist in Dänemark, Alexandru Maxim in Rumänien, Carlos Gruezo in Ecuador und Filip Kostic in den Niederlanden. Nicht jeder dieser Transfer ging wie erwünscht auf, aber all diese Spieler sind durchaus gut und waren kreative Neuzugänge.
Bei Frankfurt änderte sich der Ansatz stark. Im ersten Jahr wurden direkt sechs Spieler geliehen, bis auf Marius Wolf kamen sie von Top-Klubs. Jesus Vallejo von Real Madrid, Michael Hector von Chelsea, Guillermo Varela von ManUnited, Ante Rebic von der Fiorentina und Shani Tarashaj von Everton. Die Chancen auf eine Verpflichtung dieser Spieler war gering, stattdessen holte man sich mit Andersson Ordóñez, Taleb Tawatha (und Omar Mascarell) jüngere Talente von eher kleineren Vereinen. Einige Leih-Spieler überzeugten, andere weniger, Ordóñez und Tawatha waren nie große Faktoren bei der Eintracht.
Spannenderweise wurde nach dieser ersten Transferperiode umgedacht. Leihspieler spielten weiterhin eine Rolle, es gab auch noch Misserfolge (Allan, Chico Geraldes), aber man sicherte sich nun fast immer Kaufoptionen und minimierte so viele Risiken, vor allem jedoch bei gestandenen Spielern. Jovic war noch ein junger Leihspieler, die restlichen Leihspieler waren keine Talente ohne Spielzeit bei Top-Klubs, sondern gute Spieler ohne Spielzeit bei Top-Klubs. So kamen Kevin Trapp, Sebastian Rode, Filip Kostic, Martin Hinteregger, Andre Silva und zuletzt Armin Younes alle per Leihe zur SGE, um dort wieder ihre Best-Form zu erreichen. Die Eintracht schaffte es zudem diese Spieler bei erfolgreicher Leihe fest — und das zumeist sogar recht günstig — zu verpflichten. Durch das Konzept Leihe + Kaufoption war das Risiko bei diesen Verpflichtungen zudem äußerst gering.
Diese Art von Transfer unterstützte man durch zwei Weitere. Da wären zuerst vielversprechende Spieler aus aller Welt, die man direkt von meist kleineren Vereinen verpflichtete. Beispiele: Daichi Kamada, Tuta, Rodrigo Zalazar, Evan N´Dicka, Almamy Toure, Sebastian Haller, Djibril Sow, Ragnar Ache, Dejan Joveljic. Hier scheut man sich auch nicht mal etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, um diese Spieler direkt fest zu besitzen. Entweder funktioniert es dann direkt oder es folgen Leihen, die besonders bei Kamada und in dieser Saison bei Zalazar erfolgreich wirken.
Die zweite Art von Transfers ist die der deutschen Spieler für die Kadertiefe. Hier werden einige Spieler geholt, die meist nicht allzu viel kosten (Dominik Kohr ist hier eine interessante Ausnahme), die die Breite des Kaders verstärken. Auch hier ein paar Beispiele: Stefan Ilsanker, Erik Durm, Nicolai Müller, Danny da Costa oder Felix Wiedwald.
Diese Strategie hat bei Eintracht Frankfurt in den letzten Jahren wunderbar funktioniert. Sie baut nicht darauf, dass jeder Transfer sitzen muss. Stattdessen plant man mit einer Erfolgsquote von 50–70% und hofft, dass ein Spieler wie Jovic oder Haller komplett explodiert.
Ich würde Bobic´ Erfolg bei der Eintracht also viel mehr daran messen, inwiefern die grundsätzliche Strategie aufgegangen ist als anhand seiner Erfolgsquote bei einzelnen Transfers. Bewertet man Bobic genau darin, gehört er in den letzten fünf Jahren zu den besseren Sportdirektoren/Sport-Vorständen/… der Liga.
Hertha bekommt jetzt also einen der besten Sportdirektoren der Liga, der krempelt den Verein um und in spätestens drei Jahren steht man in der Champions League, oder? Naja, ganz so einfach kann man es sich dann doch nicht machen. Und hier kommen wir zum schwierigen Part.
Es gibt zwei entscheidende Punkte, die ich mir bis hierhin aufgespart habe. Punkt 1: Passt Bobic zur Hertha? Punkt 2: Inwiefern ist Bobic für den Erfolg Frankfurts überhaupt verantwortlich?
Die Antwort auf die erste Frage ist gar nicht so schwer zu finden. Man kann sie nämlich ganz simpel mit Nein beantworten. Bobic und seine Frankfurter Erfolgsstrategie passen kaum zur Hertha. Nichts von dem, was Bobic in den letzten zehn Jahren gemacht hat, kommt an die Aufgabe ran, die er bei der Hertha bekommen würde, wo die Gesamtzahl der Transfer geringer, die Ablösesummen und die erwünschte Erfolgsquote jedoch höher wäre. Das heißt nicht, dass Bobic diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Wir wissen es schlicht nicht, da er es bisher noch nicht getan hat. Genauso wie bei einem Spieler, der in einer neuen Mannschaft in einem neuen System anders agieren soll, ist die große Frage, ob er diese Adaptation schafft.
Um diese Frage zu beantworten, muss man normalerweise auf die Fähigkeiten eines Spielers schauen. Bei Spielern ist das noch recht einfach. Wir können hunderte von Spielen ansehen und sie somit evaluieren. Bei Sportdirektoren ist dies anders. Und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt 2: Inwiefern ist Bobic für den Erfolg Frankfurts überhaupt verantwortlich?
Wir können nicht hinter die Frankfurt Kulissen blicken. Wir wissen, dass mit Ben Manga, einer der besten Scouts Deutschlands, in Frankfurt arbeitet. Wir wissen jedoch nicht, wie die Kommunikation zwischen ihm und Bobic abläuft. Wir wissen nicht, wer wie und zu welchem Anteil für welchen Transfer zuständig ist. War Bobic Profiteur eines super Systems, das ihm in Frankfurt zur Verfügung stand oder kreierte er erst dieses System? Oder um die Frage weniger schwarz-weiß zu formulieren — da die Dinge im Leben nur selten schwarz-weiß sind — zu welchem Anteil profitierte Bobic von Frankfurt und zu welchem Anteil Frankfurt von Bobic?
Ich kann diese Fragen nicht beantworten und das frustriert mich, da ich so auch nicht wirklich einschätzen kann, ob Bobic nun ein “guter” oder “schlechter” Sportdirektor ist.
Das Einzige, was ich sagen kann: Bobic war in seiner Zeit bei Frankfurt der Entscheidungsträger in einem sehr erfolgreichen Konstrukt, das jedoch so nicht übertragbar sein wird auf seinen (mit hoher Wahrscheinlichkeit) nächsten Arbeitgeber Hertha Berlin. Ob er die Aufgabe Hertha Berlin meistern kann, ist daher von außen kaum möglich vorherzusagen.